Engagement mit Berliner Charme und Schnauze
Text: Gunhild Aiyub, Redakteurin
„Und dann ging plötzlich die Tür auf, und der Bundespräsident kam mit seinem Hund im Schlepptau herein, um uns zu begrüßen ...“ Silvia Schoeps, seit 27 Jahren Mitglied im Berliner Arbeitskreis, erinnert sich an dieses Ereignis, als wäre es gestern gewesen. Mit ihrer Gruppe war sie vor 15 Jahren im Schloss Bellevue zu Besuch gewesen – Christina Rau hatte zu Kaffee und Kuchen eingeladen. Grund war ein gemeinsames Interesse an einem Kindernothilfe-Projekt in Brasilien: Die First Lady hatte die Tagesstätte in Gravatá besucht, für die sich der Arbeitskreis seit Jahren engagierte.
Selten sind Termine des Arbeitskreises so spektakulär. Meistens steht die Gruppe mit ihrem Info- und Aktionsstand unter freiem Himmel bei Festen und Märkten. Die rund 15 aktiven Mitglieder bieten Getränke, selbst gemachte Kuchen, Marmelade und Handarbeiten an, sie backen Waffeln, flechten Zöpfe und informieren dabei über die Arbeit des Kinderrechtswerks. „Besonders gefragt ist unsere Kinderbetreuung“, freut sich Horst Krapohl, seit sieben Jahren aktiv dabei, „das erspart uns in der Regel die Standgebühr – und damit unnötige Ausgaben von Spendengeldern.“ Der Kreis baut seine Tische auf etwa bei Frühlings- und Weihnachtsmärkten in Frohnau; beim ‚Markt der Kontinente’ sowie Ostermarkt im Museum Dahlem sind die Berliner Kindernothelfer seit elf Jahren fester Bestandteil. Sie mischen mit beim Internationalen Kindertag im FEZ-Berlin, Europas größtem gemeinnützigen Kinder- und Familienzentrum, sowie beim Weltkindertag auf dem Potsdamer Platz – in diesem Jahr flimmerte ihr dortiger Stand sogar in der Abendschau des RBB über die Fernsehbildschirme.
Glücksrad, Quizfragen und "Pate für einen Tag"
„Ich finde Veranstaltungen toll, bei denen ich mich mit Kindern beschäftigen kann“, sagt Ulrike Teuffert, die seit 20 Jahren im Arbeitskreis mitmischt. „Bei den Märkten im Museum Dahlem etwa verzieren wir mit Kindern Styroporkugeln mit Serviettentechnik, oder wir ziehen Buchstabenperlen auf Ketten, das kommt bei den Kindern besonders gut an. Manche sind so begeistert, dass sie im Jahr darauf wieder bei uns am Stand auftauchen und mitmachen wollen.“ Die engagierte Berlinerin bastelt Glücksräder, entwickelt interessante Fragebögen, durch die Kinder etwas über das Leben ihrer Altersgenossen in anderen Ländern erfahren – für die Diplomatenkinder, die vorbeischauen, sogar auf Englisch - oder fordert die jungen Standbesucher mit Quizfragen heraus.
Die Spendendose ist immer mit dabei, ebenso der Spendenkalender „Werden Sie Pate für einen Tag“, an dem man einen Euro auf eines der 365 Felder kleben kann. Die Spenden kommen vollständig einem Kindernothilfe-Projekt zugute, das der Arbeitskreis für zwei Jahre mit all seinen Aktivitäten unterstützt – zurzeit syrische Flüchtlingskinder im Libanon, was bei den Besuchern auf große Spendenbereitschaft stößt und eine gute Gesprächsbasis ist, die Arbeit der Kindernothilfe zu erläutern. „Besonders die Jugendlichen sind beeindruckt, wenn wir ihnen erklären, wie man mit einem Euro einem Kind einen Tag lang helfen kann“, erlebt Ulrike Teuffert immer wieder.
„Neben dem Museum Dahlem ist der Stand auf der Antikmeile in Charlottenburg auch hinsichtlich der hohen Spendenbereitschaft aktuell der erfolgreichste“, sagt Horst Krapohl. „Wir sammeln vorher im Bekanntenkreis gut erhaltenen Trödel – Bücher, Bilder, Geschirr und so manches Kleidungsstück. Die Kunden an unserem Stand versuchen natürlich auch zu feilschen, aber der gute Zweck, für den wir die Sachen verkaufen, ‚zähmt‘ sie meistens. Und fast 400 Euro am Spendenkalender zeigen die Offenheit und Spendenwilligkeit für die Arbeit der Kindernothilfe und machen uns echt glücklich.“
Und plötzlich steht man auf der Bühne im Deutschen Theater...
Erlebnisse mit Gänsehaut
Mit Gänsehaut aus ganz anderen Gründen erinnern sich die Berliner an die Theatertournee junger Leute aus einem Kindernothilfe-Therapiezentrum auf den Philippinen im Jahr 2000. In ihrer Aufführung brachten die Filipinos ihre eigenen Schicksale als Opfer von Pädophilen auf die Bühne - Therapie für sie selbst wie gleichzeitig das Bemühen um Aufklärung über die Folgen dieser Verbrechen, denn die Täter kommen auch aus Deutschland. Der Arbeitskreis organisierte mehrere Veranstaltungen in Schulen und Gemeinden und nahm die Darsteller bei sich zu Hause auf.
Ein Wohnzimmer wird zum Lesesaal
„Die Veranstaltungen sind so beliebt, dass mancher sogar aus dem 100 Kilometer entfernten Eberswalde per Zug anreist“, freut sich Waltraud Schönebeck. Mindestens 50 Gäste finden sich jedes Mal ein und genießen anschließend leckeres Fingerfood aus der Schönebeckschen Küche. Die Teilnahme kostet acht Euro, die ohne Abzüge der Kindernothilfe gespendet werden. Zum 35-jährigen Jubiläum kam Gibson Nkanaunena vom Kindernothilfe-Partner World Relief in Malawi vorbei und berichtete aus dem Projektalltag.
"Herzlichen Dank für 35 Jahre Treue und Verbundenheit, Engagement, Arbeit und Herzblut!“, gratuliert Kindernothilfe-Vorstandsvorsitzende Katrin Weidemann. „Es ist großartig, dass wir in der Hauptstadt so wunderbare und verlässliche ehrenamtliche Mitarbeiter haben.“
Für ihr Jubiläumsjahr haben die Berliner übrigens eigens T-Shirts mit dem Slogan "Seit 35 Jahren engagiert in Berlin für Kinder weltweit" bedrucken lassen, die sie bei ihren Aktivitäten tragen.
Mit Herz, Charme und Resolutheit: Eva-Margarete Jurgeit
1980 gründete sie den Arbeitskreis Berlin. Mit Herz, Charme und Resolutheit überzeugte sie Sponsoren, warb neue Mitglieder an und knüpfte wichtige Kontakte. „Junger Mann, stellen Sie doch bitte das Geschirr dort ab und ordnen sie es so an, wie ich Ihnen das sage.“ Mit diesen Worten schnappte sie sich bei einem Patentreffen 2009 Horst Krapohl, damals immerhin auch schon 55 und noch kein Arbeitskreismitglied. „Eva ist ein Original, und es ist absolut bewundernswert, was sie – auch in den letzten Jahren mit starken gesundheitlichen Einschränkungen - geleistet hat“, würdigt Horst Krapohl die charismatische Arbeitskreisgründerin. Gelobt und in den Mittelpunkt gestellt zu werden, war nicht ihr Ding. Das wurde an höchster Stelle anders gesehen, denn 2004 erhielt Eva-Margarete Jurgeit das Bundesverdienstkreuz am Bande. Ende September feierte sie mit allen Arbeitskreismitgliedern ihren 90. Geburtstag.
Mit zitternden Knien im Olympiastadion
Fragt man nach unvergesslichen Momenten im Leben des Arbeitskreises, dann erzählen die Berliner zum Schluss noch folgende Geschichte: 2010 backte der Kids Club des Berliner Fußball-Bundesligisten Hertha BSC Brote, die für Kindernothilfe-Projekte in Haiti verkauft wurden. Silvia Schoeps und Horst Krapohl wurden ins Olympiastadion eingeladen, um den Scheck entgegenzunehmen. „Eine Stunde vor dem Spiel Hertha gegen Schalke standen wir auf dem ‚heiligen‘ Rasen des Stadions“, erinnert sich Hertha-Fan Silvia Schoeps. „Da haben mir schon ein bisschen die Knie gezittert! Als Herthas Pressesprecher uns den Scheck überreichte, war das groß auf den Anzeigetafeln zu sehen. So was vergisst man sein Leben lang nicht!“
Was plant der Arbeitskreis für die Zukunft? „In Berlin bieten sich viele Chancen, die Kindernothilfe-Themen zu präsentieren“, erklärt Horst Krapohl. „Für uns stellt sich die Frage: Welches Angebot können wir am Ehrenamt Interessierten, vor allem auch jungen Menschen machen, um sie für die Kindernothilfe und den Arbeitskreis zu gewinnen? Wir stellen fest, dass das Thema Flüchtlinge und Projekte wie das Kinderschutzzentrum im Libanon besonders interessant sind für die Öffentlichkeit. Deshalb werden wir versuchen, mit solchen Themen in die lokalen Printmedien, ins Internet und in die sozialen Netzwerke zu kommen.“
Sie möchten beim Arbeitskreis mitmachen? Die Gruppe trifft sich jeden 1. Donnerstag im Monat um 19 Uhr im Lazarus, „Haus Sonneneck", Bernauer Str. 117 in 13355 Berlin-Mitte (Nähe S-Bahnhof Nordbahnhof)
Kontakt: Silvia Schoeps, Tel.: 030. 7217227; Horst Krapohl, Tel.: 030.32303559, 0162. 2540252 und berlin@kindernothilfe.net