Leben statt Lager: Wo Frauen und Kinder geschützt sind
Text: Hubert Wolf, Fotos: Kindernothilfe, Knut Bry
Für Flüchtlinge aus Lesbos sollen alte Wohnungen hergerichtet werden, wo sie Schutz und Anschluss finden. WAZ-Leser können helfen.
Es braucht schon einen Fachmann für hoffnungslose Altbauten, braucht Vasko Periklis (39), um diesen Bau zu retten. Fenster, Treppen, Türen, Dach, Strom, Toiletten - wo fangen wir an? Themidos, das Wohngebäude mitten in Mytilini, war früher eine Heimstatt für bedürftige Familien. Und dann 20 Jahre gar nicht bewohnt. Sieht man.
Periklis, ein Meister des Handwerks für alles und jedes, ist an diesem Morgen mit einem anderen griechischen Kollegen gekommen, zwei Jungs aus Pakistan und einer aus Kamerun sind mit ihnen. Flüchtlinge, abgelehnte Asylbewerber zwar, doch Griechenland steht ihnen offen, weil sie arbeiten. Legal und mit Sozialversicherung und anders als in Deutschland.
Wer einen Arbeitsvertrag hat, darf das Lager tagsüber verlassen
„Als sie den Arbeitsvertrag vorgelegt haben und anfingen, Steuern zu zahlen, bekamen sie die Erlaubnis, das Lager zu verlassen“, sagt Jürgen Schübelin, Mitarbeiter der deutschen Hilfsorganisation „Kindernothilfe (KNH)“, der gerade auf der griechischen Insel Lesbos war. Wenigstens an Werktagen dürfen die drei Männer das Lager verlassen - samstags und sonntags aber gefälligst nicht!
„Kara Tepe“ („Schwarze Berge“) ist ein Lager, und ein Lager ist kein Zustand. Wenig zu essen, üble hygienische Zustände. Zugang zur Schule oder zu Gesundheitssystem haben die meisten Bewohner nicht. Andere Flüchtlinge leben auf der Straße, diese Notlage tritt ein, wenn über ihren Status noch nicht entschieden, aber die staatliche Unterstützung ausgelaufen ist. „Es gibt viele Länder, die angesichts von Flüchtlingen versagen“, sagt Angelika Böhling, die Sprecherin der Kindernothilfe: „Aber hier ist es die EU.“ Hier sind es: wir.
Eine menschenwürdige Unterkunft für Familien und Mütter mit Kindern
Und deshalb wäre Themidos einfach wichtig. 50 bis 60 Flüchtlinge sollen hier nach dem Umbau eine menschenwürdige Unterkunft finden. Familien, Mütter mit Kindern, Kranke. Auf drei Etagen, mit einem kleinen Garten. Leben statt Lager.Projekt Themidos gehört zu den Vorhaben, die die Kindernothilfe zusammen mit den einheimischen Partner von „Lesvos Solidarity (Lesol)“ umsetzen will; einen Baustein von vielen, den wir Ihnen, liebe Leser und Leserinnen, in dieser kurzen Serie vorstellen. Die diesjährige Weihnachtsspendenaktion von KNH und WAZ soll Menschen helfen, die auf ihrer Flucht auf den griechischen Inseln gestrandet und auf diese Hilfe angewiesen sind.
„Aeschylus ist ein Modell, von dem wir gerne mehr hätten“
Denn bei dem Umbau geht es ja nicht nur um ein größeres Wohnprojekt. Mädchen und Jungen, die hier wohnen, werden zur Schule gehen können; sie können dann erstmals zu Ärzten gehen, so wie ihre Eltern dann auch - und sie sind unter Einheimischen, sobald sie vor die Tür treten.Themidos hat einen kleinen Bruder, der heißt Aeschylus. Aeschylus ist etwas Ähnliches und etwas Anderes: Brüder halt. Das soll uns jetzt einmal Joaquin O’Ryan erklären, ein Chilene, den es als freiwilligen Helfer schon 2017 zu „Lesol“ getrieben hat - und dann ist er geblieben und macht nun Programm.
„Aeschylus ist das Modell, von dem wir gerne mehr hätten“, sagt O’Ryan. Da geht es nicht um einen großen Bau, sondern um möglichst viele über die Inselhauptstadt Mytilini verteilte Wohnungen, wo Flüchtlinge leben können. Vorgesehen sind sie vor allem für „Frauen in ausweglosen Situationen“, sagt Jürgen Schübelin von der Kindernothilfe. Unbegleitete, von Gewalt bedroht, mit kleinen Kindern.
„Wir versuchen das Beste für die, die wir erreichen können“
Sie sollen dort „Schutz finden und Integration“, sagt O’Ryan - etwa durch die Griechisch-Kurse, die Lesol an anderer Stelle anbietet. Und die Integration beginnt ja noch früher: Wenn Menschen wie Periklis jungen Migranten handwerkliche Fähigkeiten vermitteln; wenn sie Gelegenheit haben, zu arbeiten, und insgesamt näher an den Arbeitsmarkt heranzurücken.
Das versucht Lesol ja auch in der eigenen Organisation. Von 46 Menschen, die dort arbeiten, sind rund die Hälfte selbst als Flüchtlinge gekommen. Aber die Kraft von 46 ist endlich: „Lesols Kräfte sind begrenzt“, heißt es in einem Projektbericht: „Wir können nicht Tausenden Menschen helfen, die auf Lesbos gefangen sind. Aber wir versuchen das Beste für die, die wir erreichen können.“
„Wir wissen genau, wofür wir hier arbeiten“, sagt einer von Periklis’ Helfern - Kara Tepe, jenes Lager, kennt er schließlich selbst gut genug. Nach dem Leben dort sei es für ihn mit dieser Arbeit draußen „unglaublich, dass wir einen Beitrag leisten können, damit Frauen und Kinder bald unter guten Bedingungen untergebracht werden können“. So, genug geredet. Wo fangen wir an?
>>INFO: HIER KÖNNEN SIE DEN KINDERN HELFEN
Die Kindernothilfe arbeitet vor Ort mit der Hilfsorganisation Lesvos Solidarity, kurz Lesol zusammen. Lesol kümmert sich um die besonders Schutzbedürftigen unter den Flüchtlingen auf der Insel Lesbos.
Hier können Sie den Kindern helfen, das Spendenkonto der WAZ-Weihnachtsspendenaktion hat dieselbe Nummer wie in den vergangenen Jahren.
Empfänger: Kindernothilfe
Stichwort: Lesbos
IBAN DE43 3506 0190 0000 3103 10, BIC: GENODED1DKD (Bank für Kirche und Diakonie).